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I. Einleitung
Wer sich hierher verirrt hat, dürfte vermutlich auch den ersten Teil dieser Mini-Serie gelesen haben. Falls nicht, lege ich ihn wärmstens ans Herz!
Anders als sonst möchte ich dieses Mal nicht mit einem mehr oder weniger kompliziert geschriebenen Artikel aufwarten. …Zumindest nicht nur. Um den Leser nicht nur mit Zahlen und Paragrafen zu langweilen, werden wir uns diesen alles andere als einfachen Komplex mit einer Geschichte erschließen. Wer wäre hierfür ein passenderer Kandidat als Kafkas Projektionsfläche für den ewigen Kampf des Menschen gegen die eigenen Abgründe neben der Allmacht der Bürokratie als sein „K.“?
So geschah es denn, dass K. eines nebeligen Abends eine Landstraße entlang lief. Wie schon einige Mal zuvor war er auf dem Weg zum Schloss. Daher war ihm bekannt, dass die ihm zugehörigen Beamten es meist sehr eilig hatten – so auch an diesem Abend. K. schreckte daher nicht zurück, als ein zunächst nur weiches Rauschen immer mehr die zuvor so meditative Ruhe vertrieb. Irgendwann wurde es ihm dann doch unerträglich. Er drehte sich um. Einzig seine Augen hatten noch Zeit, sich vor dem ausbreitenden Terror zu weiten. Ohne Rücksicht auf Verluste fegte das Auto K. mit einem zerreißenden Krachen von den Beinen. Nichts als Schmerz blieb, bevor sich K.s Welt in Schwarz wandelte.
Ein zufällig vorbeifahrender Anwohner gabelte ihn auf und brachte K. ins Krankenhaus.
K. Schäden summieren sich auf 15.000 €. K. selbst verdiente den damaligen Durchschnittsverdienst1 von 4323 € brutto aus Angestelltentätigkeit. Wegen seiner belastenden Erfahrungen mit der Bürokratie des Schlosses glaubte K. längst an nichts mehr. Er ist daher konfessionslos. Kinder und Ehepartner sind ebenfalls nicht vorhanden.
K. ist zudem in jeder Hinsicht ein Durchschnittsmensch: Seine Wohnung hat den bundesweiten Durchschnitt von 44 Quadratmeter bei Vollzeitarbeitendern. Als hipper New-Age-Zeitgenosse lebt K. natürlich im Trendviertel seines Dorfes, das aus unerfindlichen Gründen das Preisniveau des Frankfurter Nordends hat. Seine Kaltmiete beläuft sich auf 18,48 € pro Quadratmeter. Mit 2,28 € pro qm Betriebskosten liegt er wieder perfekt im Bundesdurchschnitt.
Kann K. Beratungshilfe beantragen? Wie sähe es mit Prozesskostenhilfe für eine Klage gegen die Gemeinde aus?
Die Voraussetzungen hierfür haben wir – abseits der Bedürftigkeit – erklärt. Wir beschäftigen uns daher im Folgenden ausschließlich damit.
Die Norm, die uns diese große Frage beantworten möchte, heißt § 115 ZPO. Für die Bedürftigkeit bei der Beratungshilfe kann man sich merken: Wenn mit derselben Sache bei der Prozesskostenhilfe keine Raten festgesetzt werden müssen, dann ist man bedürftig genug für Beratungshilfe. Was wir also gleich für die Prozesskostenhilfe erkunden werden, greift unter diesen Voraussetzungen ebenfalls für die Beratungshilfe.
Vorab eine kleine Faustregel für alle, die BAföG, Sozialhilfe oder Bürgergeld beziehen: Wer diese Sozialleistungen bezieht, ist nahezu immer auch nach den folgenden Maßstäben bedürftig. Daher kein Grund zur Sorge wegen des Geldes! Bringt die Bescheide mit zum Amtsgericht bzw zum Anwalt bei Prozesskostenhilfe und ihr könnt euch das folgende Prozedere weitestgehend sparen!
Die vier etwas sperrig daherkommenden Absätze verbergen ein mehrstufiges Prüfungsverfahren:
- Einkommensermittlung
- Absetzbares Vermögen
- Zumutbar zu nutzendes Vermögen
- Entscheidung über festzusetzende Raten
Wir schauen uns jeden der Schritte einzeln an. Für unsere Zwecke bilden wir einen einfachen Fall, an dem sich die Mechanik des Gesetzes gut illustrieren lässt.
II. Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe – Raten und einzusetzendes Einkommen
1. Das Einkommen
Nach § 115 I 2 ZPO sind das alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert. Orientiert man sich an den Grundsätzen des Steuerrechts für Privatpersonen und des Sozialrechts, welche in ähnlichen Terminologien sprechen, lässt sich das in § 11 SGB II und § 8 EStG verankerte „Zu- und Abflussprinzip“ für unsere Untersuchung stark machen. Dieses Prinzip besagt im Grunde nur, dass ein Vermögenswert nur dann wirklich im Vermögen von jemandem ist, wenn er ihn tatsächlich bekommen hat. So ist es beispielsweise egal, wenn man einen Anspruch auf Arbeitslohn hat; wichtig ist, das Geld aufs Konto oder in dubioseren Betrieben in die Hand bekommen zu haben. Dieses Prinzip steckt im Wesentlichen auch hinter der Rechtsprechung, die ich zu dem Thema finden konnte.
Die Gerichte haben sich bislang wenig an dieser Nuance abgearbeitet. Interessanter ist vielmehr die Frage, was als Einkommen zählt und was nicht. Die Definition in § 115 I 2 ZPO sagt alles und nichts. Aus Sammlungen von Einzelfällen in Kommentaren leite ich folgende Richtlinie ab:
Der Vermögenswert muss entweder ein Ertrag aus einem eigenen Vermögensgegenstand (beispielsweise Miete) oder eine Gegenleistung für eine vom Antragsteller erbrachte Leistung sein. (Beispielsweise Arbeitslohn). Sozialleistungen fallen nur hierunter, sofern sie ihrem Zweck nach Lebenserhaltungskosten des Antragstellers allgemein lindern oder auffangen sollen. Das betrifft vor allem Bürgergeld, Wohngeld und Kindergeld, soweit es über den Betrag für den Bedarf des jeweiligen Kindes hinausgeht (in der Menge ist es nämlich Einkommen des Kindes nach Rechtsprechung!).
Nicht zugerechnet werden im Grundsatz Sozialleistungen, die besondere individuelle Lasten ausgleichen sollen oder keinen Bezug zu einer Leistung oder einem Vermögensgegenstand haben. Ein Ausreißer ist in dieser Hinsicht – anders als das Bürgergeld – die Sozialhilfe, die nach OLG Köln nicht erfasst sein soll.2
In ganz seltenen Fällen fällt zudem – nach sozialrechtlichen Grundsätzen – fiktives Einkommen an. Das geschieht meist in Fällen, wo der Antragsteller zu seiner Lage selbst entscheidend beitrug oder schlicht keine Angaben zu seinem Vermögen macht, aber offensichtlich irgendwie seine Rechnungen zahlen muss. Sie sollten daher nicht unbedingt Ihren Arbeitsplatz hinschmeißen, weil Sie Ihren Chef und vielleicht sogar den ganzen Betrieb für eine Zweigstelle der Reptiloiden der Bundesrepublik Deutschland GmbH halten und dies stilecht mit einer mehrseitigen Hassmail ankündigen, die am besten noch die ganze Belegschaft verunglimpft.3 Falls Sie sich irren sollten und daher doch nicht kündigen, wird es mit der Prozesskostenhilfe für den Kündigungsschutzprozess vielleicht schwierig, weil Ihr Arbeitseinkommen dann fiktiv angerechnet wird.
Der Einzelfall kann daher Tücken bereit halten. Meistens liegen die Dinge jedoch relativ einfach – wie für unseren Freund K. ! Bei ihm sind es schlicht 4323 € brutto pro Monat.
2. Absetzbares Vermögen
Im zweiten Schritt werden vom Einkommen alle in § 115 I 3 ZPO genannten Posten, sofern anfallend, abgezogen. Obwohl K. hier nicht sehr viel hat, wird sich im Folgenden überraschend viel ansammeln. Ich werde die einzelnen Nummern des § 115 I 3 ZPO grob abklopfen und deren Gedanken erläutern, um ein grundlegendes Verständnis zu kultivieren. Im Recht der Sozialhilfe sind in einigen Fällen für Posten im Einkommen Pauschalbeträge vorgesehen, die man ohne irgendeine Erklärung zugeschrieben bekommt. Wer neugierig ist, kann sich die Durchführungsverordnung zu § 82 SGB XII zu Gemüte führen. Auch das Steuerrecht hat eigene Pauschalbeträge, mit denen wir ähnlich verfahren werden.
- Nr. 1 lit. a): Beiträge, Steuern auf das erzielte Einkommen und alles, was man für seine Einkunftsquelle an Geld reinstecken muss, dürfen abgesetzt werden. In der Praxis müssen Sie das Gott sei Dank nicht selbst ausrechnen. Die Werte auf der Lohnsteuerabrechnung sind in den meisten Fällen mehr als genug! Für die Misstrauischen unter uns gibt es für die Beitragsrechnung und die für unser Beispiel anfallende Lohnsteuer sehr gute Rechner im Internet. Man spart sich eine Menge Kummer, wenn man das Ganze nicht komplett händisch ausrechnet. Eine gute Übersicht zu allen Sozialversicherungsbeiträgen habe ich hier gefunden. Ich erkläre die Hintergründe, weil man es bei meiner Ausrichtung erwarten darf und ich ggfs auch Werte auf der Abrechnung kontrollieren können muss. K. hat es als fiktives Konstrukt nicht so leicht wie Sie. Weder Betriebsstättenfinanzamt noch sein Arbeitgeber mussten bislang Lohnsteuerbescheide oder Lohnabrechnungen schreiben, weil sie nicht existieren. Wenn wir unsere Regeln auf K.s Fall anwenden wollen, müssen wir es daher händisch machen. So können die Misstrauischen und/oder Neugierigen ein wenig über die Hintergründe lernen. Für unser Beispiel K. fallen Sozialversicherungsbeiträge und Einkommensteuer, monatlich erhoben durch die Lohnsteuer (§ 38 EStG), an. Weil die ESt-Last von den grundsätzlich absetzbaren Beiträgen abhängt, müssen wir die vorher berechnen:
a. Beiträge von K.
Beiträge fallen an (gesetzlich ermittelte Beträge teilen wir durch 2, da ein Arbeitnehmer sie nur in dieser Höhe schuldet, vgl. § 249 I 1 SGB V, 58 I SGB IX und § 168 I Nr. 1 SGB VI!):
– Krankenversicherung 7,3 % (14,6 als Regelbeitragssatz nach § 241 SGB V durch 2, wir erinnern uns) iHv 315,58 € + 0,6 % Zusatzbeitrag nach § 242 I SGB V iHv 25,94 € (Zahl von der Techniker Krankenkasse, der Kasse mit den derzeit bundesweit niedrigsten Zusatzbeiträgen aller für alle offenen Krankenkassen.), Für die Krankenkasse fallen daher 341,51 € für K. an.
-Pflegeversicherung (1,7 % + 0,6 % Zusatzbeitrag1 für Kinderlose, siehe § 55 I, III SGB IX.): 99,42 €.
-Rentenversicherung (9,3% auf Basis der noch immer aktuellen Angabe in § 1 BSV 2018 ohne Arbeitgeberanteil): 402,04 €.
-Arbeitslosenversicherung (1,3 % ohne Arbeitgeberanteil, siehe § 341 II SGB III): 56,20 €.
b. K.s Steuern
Für die Lohnsteuerermittlung, die einzige für K. relevante Steuer, müssen wir folgende Dinge zusätzlich wissen:
-Das Steuerrecht geht davon aus, dass ein Arbeitnehmer 1230 € im Jahr für seinen Beruf ausgibt (§ 9a S. 1 Nr. 1 EStG). Diese Zahl müssen wir durch 12 teilen. Wir sind hier also bei 120,50 € pro Monat.
-Die Abziehbarkeit der oben genannten Sozialversicherungsbeiträge vom Einkommen richtet sich nach § 10 I Nr. 2 (Rentenversicherung), Nr. 3 (Kranken- und Pflegeversicherung) und Nr. 3a (Arbeitslosenversicherung), IV EStG. Die Arbeitslosenversicherung fällt hier raus, weil man mit den Beträgen für Kranken- und Pflegeversicherung aufs Jahr gerechnet schon über 2800 € Jahresbelastung kommen wird und nur, wenn diese durch die Pflichtbeiträge nicht erreicht werden, ein Abzug bis zur Höhe von 2800 € mit Einbezug der Ausgaben nach § 10 I Nr. 3a EStG möglich ist.
Im Ergebnis setzen wir daher im Rahmend der Lohnsteuer 804,08 € Rentenversicherung und 120,50 € Werbungskosten, 99,42 € Pflegeversicherung und 341,51 € Krankenversicherung, dafür keine Arbeitslosenversicherung ab.
Leider müssen wir das alles jetzt auf die Jahressteuer hochrechnen, darauf den Grundtarif der Einkommensteuer nach § 32a EStG anwenden und das Ergebnis durch 12 teilen. Der oben verlinkte Lohnsteuerrechner hat hier eine 7717 € Jahreslohnsteuer für das Jahr 2024 ausgespuckt. Teilt man das Ergebnis durch 12 haben wir die abziehbare Steuer, hier also 643,08 €.
c. Restliche Ausgaben von K.
Zu guter Letzt kommen auch hier die Kosten, um die Einnahmequelle zu halten (beispielsweise Arbeitsmittel, Fahrtkilometer zum Arbeitsplatz und zurück etc.) (im Steuerrecht für diese Einkünfte „Werbungskosten“). Wir gehen hier von dem sozialrechtlichen Betrag ohne weitere Angaben aus, also 5,20 € pro Monat. (§ 3 IV DVO § 82 SGB XII iVm § 82 II Nr. 4 SGB XII).
d. Zwischenergebnis für § 115 I 2 Nr. 1 lit. a) ZPO
Nach § 115 I 2 Nr. 1 lit. a) ZPO dürfen wir daher für K. ansetzen: 4323 € – 643,08 € – 99,42 € – 341,51 € – 402,04 € – 56,20 € – 5,20 € = 2775,55 €.
Das ist aber nur ein vorläufiges Ergebnis. Wir müssen uns noch durch alle anderen Nummern des § 115 ZPO kämpfen.
- Nr. 1 lit. b) – Bonus für Erwerbstätige: Kaum hat man sich von dem Zahlendschungel eben erholt, geht es mit dem nächsten komplizierten Mix weiter. § 115 I 2 Nr. 1 lit. b) ZPO spricht von 50% des Regelbedarfs, der für den alleinstehenden Leistungsberechtigten gemäß Regelbedarfsstufe 1 in einer Anlage zum SGB XII festgesetzt oder fortgeschrieben ist. Was soll das wieder heißen? Hier verweist der Gesetzgeber auf das von ihm errechnete Existenzminimum. Das Verfahren zur Ermittlung der Zahlen ist für alle Neugierigen in § 28 SGB XII und dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz (RBEG) beschrieben. Die Zahlen beziehen den Durchschnittsbedarf von Einzel- und Familienhaushalten für ein einfaches Leben ein. Diese Zahlen werden dann nach der Preisentwicklung für Bedarfsgüter und der Entwicklung der Bruttoarbeitslöhne mit einem hieraus zu ermittelnden Faktor fortgeschrieben (§ 28a SGB XII), bis die nächste Bedarfsermittlung folgt. Statt der Anlage im SGB XII lässt sich als Orientierung einfach das BMAS (BundesMinisterium für Arbeit und Soziales) als Quelle nehmen, welches Änderungen auch auf seiner Seite bekanntgibt. Für unsere Zwecke reicht die folgende Tabelle:
Regelbedarfsstufe 1 Alleinstehende / Alleinerziehende | 563,00 € |
Regelbedarfsstufe 2 Paare je Partner/Bedarfsgemeinschaften | 506,00 € |
Regelbedarfsstufe 3 Volljährige in Einrichtungen | 451,00 € |
Regelbedarfsstufe 4 Jugendliche (14 – 17 Jahre alt) | 471,00 € |
Regelbedarfsstufe 5 Kind (sechs bis 13 Jahre alt) | 390,00 € |
Regelbedarfsstufe 6 Kind (Null bis fünf Jahre alt) | 357,00 € |
Um Erwerbsanreize zu schaffen, muss K. also 563 € / 2 = 281,5 € nicht für seine Prozesse nutzen!
Für K. heißt das: 2775,55 € – 281,50 € = 2.494,05 € reinste Freiheit. Aber warte, es gibt noch mehr!
- Nr. 2 – K.s Existenzminimum: Jeder Mensch hat ja auch noch sein eigenes Existenzminimum, auf das der Staat grundsätzlich nicht zugreifen darf. Um auch hier Erwerbsanreize zu setzen, gibt es nicht nur 563 €, sondern sogar noch 10% (56,30 €) davon oben drauf! Wer verheiratet ist, kann denselben Betrag gleich nochmal für seinen Partner abziehen. Kinder und andere Unterhaltsberechtigte werden mit ihrer jeweiligen Regelbedarfsstufe auch noch berücksichtigt. K ist Single, also bleibt es bei 619,30 €. Er muss 2494,05 – 619,30 € = 1874,75 € für seinen Prozess bislang einsetzen.
- Nr. 3 – Wohnkosten im weiten Sinn: Unterkunfts- und Heizungskosten (jedoch keine Energiekosten, weil die nach dem Modell von Bürgergeld und Sozialhilfe schon im Regelbedarf und damit im allgemeinen Existenzminimum eingerechnet sind!), sofern nicht komplett überhöht. Neben der Nettomiete zählen nicht nur nur die tatsächlichen Verbrauchskosten; auch die verbrauchsunabhängigen Nebenkosten und die umgelegten Betriebskosten (abzüglich Energiekosten) in der Miete kann man hier geltend machen. Wenn mehrere in einem Haushalt erwerbstätig sind, werden die Kosten rechnerisch aufgeteilt. Für Sie in der Praxis heißt das: Einfach das angeben, was nach Mietvertrag gezahlt werden minus Stromkosten. K. hat es als statistische Durchschnittsexistenz nicht ganz so leicht. Nach unserer Geschichte hatte er ja nicht einmal eine Wohnung! Ein Vollzeitarbeitender hat nach Erhebungen des IW Köln durchschnittlich 44 Quadratmeter Wohnraum. K kann sich als Quasi-Nordender auf 18,48 € Kaltmiete pro qm freuen. Im Jahr 2022 waren wir bei 2,28 Euro Betriebskosten pro qm bundesweit. K zahlt daher 813,12 € kalt und mit den 100,32 € Betriebskosten 913,44 € warm. (Als ich vor drei Jahren auf der Wohnungssuche da war, war man eher bei 1000 bis 1200 KALT für so eine Wohnung, teilweise mit noch weniger qm.) Aber gut, gönnen wir K. den relativ guten Fang. Von seinen 1874,75 € bleiben nach Abzug von 913,44 € = 961,31 € pro Monat übrig.
- Nr. 4 – aus besonderen Lebenssituationen erwachsende Kosten: Mehrbedarfe nach § 21 SGB II/ 30 SGB XII. Hier geht es um besondere, meist aus einer bestimmten Lebenssituationen erwachsenden Kosten: Schwangerschaften nach der zwölften Woche, alleinerziehender Elternteil, Schulbücher, Ausgleich von Behinderungen… Einige der Normen würde fast schon ihre eigenen Artikel verdienen, daher belasse ich es mal hierbei.
- Nr. 5: Die obligatorische Gummiklausel für alle Fälle, wo man im Einzelfall eine unabwendbare finanzielle Last sehen würde, aber an die der Gesetzgeber nicht gedacht hat. Der einzige Hinweis, den der Rechtsanwender bekommt, ist auf die Norm des § 1610a BGB. Mit ihm wird vermutet, dass bei einem festgestellten Unterhaltsanspruch und einem Bezug an Sozialleistungen wegen eines Schadens an Körper und Gesundheit die durch den Schaden verursachten Kosten mindestens so hoch wie die bezogenen Sozialleistungen waren, (so soll gerade Behinderten Beweisnot erspart werden.) Für K ist das nicht so interessant. Für K. hört das Spiel hier auf. 961,31 € muss er auf jeden Fall pro Monat einsetzen. Ein wenig fühlt man sich selbst schon wie auf dem Weg zum Schloss, nicht wahr?
3. Einzusetzendes Vermögen
Das Schicksal der Ratenhöhe mag inzwischen schon klar sein, doch die Ratenmenge bleibt weiterhin unklar. Hier spielt auch rein, welches Vermögen K nutzen kann und muss. Wieder verweist die ZPO hier aufs Sozialrecht, hier auf § 90 SGB XII. Man kann im Grunde festhalten, dass erst einmal das gesamte Vermögen vor staatlicher Hilfe genutzt werden muss. Viele der Ausnahmen kann man sich denken (Das eigens genutzte Haus, Vermögenszuschüsse zum Aufbau einer eigenen Existenz, in bestimmten Grenzen Altersvorsorge, Haushaltsgegenstände und allgemeine Hausaussatattung, solange für die Lebensverhältnisse angemessen; für die eigene Berufausbildung und – ausübung benötigte Gegenstände, kleinere Barbeträge); andere sind etwas überraschend (das „angemessene“ Kfz, Gegenstände zur „Befriedigung geistiger Bedürfnisse“… Hier übernehmen Kommentare für Juristen.). Auch hier gibt es aber auch reichlich Einfallstore für Zumutbarkeit im Einzelfall. Hier kommt alles rein: Der Wert des Gegenstandes, der nötige Verkaufsaufwand, möglicher ideeller Wert, die Wichtigkeit des Prozesses im Leben der Person (der Nachbar, der sich über einen rüberhängenden Ast eines Baumes seines Nachbarn beschwert wird im Zweifel mehr hinlegen müssen als jemand, der gerade um existenzsichernden Schadensersatz nach einem schweren Unfall kämpft), die drohende Kostenlast durch den Prozess etc. Hier lässt sich kein pauschales Bild zeichnen. Für den Richter spielt das allerdings alles in die Ratenbildung und eine mögliche Versagung der PKH hinein.
In den meisten Fällen kommt jedoch heraus, dass man kein Vermögen einsetzen muss. Ich hätte jetzt natürlich noch im Stile Theodor Fontanes eine liebevoll eingerichtete Einrichtung zeichnen können, die die Wertgrenzen gerade noch überschritten hätte, aber mit ein paar doch nicht zu berücksichtigenden Gegenständen wie der Bibel in erster Auflage dann doch gerade wieder unter die Berücksichtigungsgrenze gerutscht ist; der Mehrwert wäre im Licht der Relevanz für die meisten Menschen gering gewesen. Notfalls hilft in einem Einzelfall das Amtsgericht oder ein Anwalt weiter!
4. Entscheidung über einzusetzendes Vermögen
Halbiert man das einzusetzende Einkommen, kennen wir im Grundsatz die Monatsrate, die das Gericht festsetzen wird, wenn wir den halbierten Betrag auf volle Euro abrunden. Obergrenze sind 48 Monatsraten, § 115 II 4 ZPO. Von dieser Regel des § 115 II 1 ZPO gibt es zwei Ausnahmen – eine nach unten und eine nach oben:
- Gerichtskosten werden nicht erhoben, wenn das einzusetzende Einkommen unter 20 € liegt. (§ 115 II 2 ZPO). Das ist die goldene Grenze für die Beratungshilfe.
- Beträgt das einzusetzende Einkommen x > 600 €, nimmt man die Hälfte davon (also 300 €) + in voller Höhe den Betrag, der über 600 € liegt. (§ 115 III 3 ZPO) K. fällt hierunter: Bei 961,31 € einzusetzendem Einkommen ist er bei 300 € + (961,31 € – 600 € = 361,31 €) = 661,31 €, abgerundet auf 661 €.
Eine wichtige Sache sollte man hier aber noch erwähnen: Die voraussichtlichen Kosten eines Rechtsstreites! Für die Beratungshilfe spielt das keine Rolle, weil diese sich nach §§ 1, 2 BerHG sowieso nur im außergerichtlichen Bereich bewegen darf. Die Kosten des Rechtsstreits sind nach § 114 ZPO allerdings nicht nur die Gerichts-, sondern auch etwaige Rechtsanwaltskosten.
K. fackelt nämlich nicht lang. Er will auf Sieg spielen – und das gleich zu Beginn. Ein Anwalt sollte, wenn er nicht allein auf Stundenhonorarbasis arbeitet, das Folgende aus dem Stegreif mit einer Gebührentabelle beherrschen.
Für die meisten Zivilrechtsfälle gilt:
- Gerichtskosten: 3,0 Gebühren nach §§ 1 I, 3 GKG iVm Nr. 1210 KV GKG (Der Wert einer Gebühr richtet sich nach dem jeweiligen Streitwert. Für einen Beispielswert von 15000 € wäre eine Gebühr beispielsweise 324 €, siehe § 34 I GKG iVm Anl. 2 GKG. Wir wären hier also bei 3 x 324 = 972 € Gerichtskosten.
- Rechtsanwaltskosten: Für das Prozesskostenrecht wird ausschließlich mit den Gebührenwerten nach Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) gearbeitet. Bei einem regulären gerichtlichen Verfahren fallen an (§§ 1 I, 2, 13 RVG iVm VV RVG): Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV RVG) iHv 1,3 Gebühren Terminsgebühr (Nr. 3104 VV RVG) iHv 1,2 Gebühren; Aufwandspauschale nach Nr. 7002 VV RVG iHv meist und jedenfalls hier 20 €. Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV RVG, nahezu immer 19% der gesamten Vergütung ohne USt, §§ 1 I Nr. 1, 3 IX, 10 I 1, 2, 12 I UStG. Bei 15000 € beträgt der Wert einer Gebühr ohne Prozesskostenhilfe 718 €. Da 2,5 Gebühren anfallen sind wir daher bei 718 x 2,5 = 1795 €. Mit den Auslagen sind wir bei 1815 €+ 19 % USt (344,85), also insgesamt bei 2.159,85.
Die Kosten der Prozessführung würden für K daher in diesem Fall (972 + 2159,85) = 3.131,85 € betragen. Er muss aber nur 661 € pro Monat einsetzen. Er würde daher auf jeden Fall Prozesskostenhilfe bewilligt bekommen, wahrscheinlich zu ungefähr 5 Monatsraten.
Bei den Anwaltskosten spielt auch noch rein, ob eine Vertretung durch einen Anwalt zwingend nötig ist – wie vor dem Landgericht, wo man bei einem Streitwert von über 5000 € immer landet, § 78 I ZPO iVm §§ 23 Nr. 1, 71 I GVG. Hier gewährt § 122 I ZPO immer auch den Anwalt. Vor dem Amtsgericht, wo man nicht zwingend einen Anwalt braucht, bewilligt das Gericht einen solchen, wenn es die anwaltliche Vertretung für erforderlich hält oder der Gegner ebenfalls einen Anwalt hat (§ 122 II ZPO). Wenn der Anwalt aber mit dem PKH-Beschluss beigeordnet wird, kriegt er seine Vergütung zu einem reduzierten Gebührensatz nach § 45 RVG vom Staat und darf diese auch nicht mehr vom Mandanten fordern, solange PKH besteht.
Im Fall von Beratungshilfe muss der Mandant allein die einmalige Beratungshilfegebühr von 15 € (Nr. 2500 VV-RVG) zahlen; den Rest übernimmt der Staat. (§ 44 RVG).
5. Fazit
Der erste Artikel zog die Frage nach der Finanzierung mit dem Weg zum Recht auf. Jetzt, wo wir am Ende von allem stehen, fällt die enorme Komplexität auf. Es ist aus staatsfinanzieller Perspektive durchaus verständlich, dass der Staat nicht auf seinen Kosten sitzen bleiben möchte und etwaige Freipässe daher nur unter großen Hemmungen ausstellt. Ein wenig (beziehungsweise in jedem Fall bei der Prozesskostenhilfe beim Merkmal der Mutwilligkeit) spielt hier hinein, dass der Staat vielleicht auch nicht mit unwirtschaftlichen oder aussichtslosen Verfahren behelligt werden will. Allerdings ist es schon bemerkenswert, dass eigentlich schon für die Frage nach der Finanzierung eines Anwalts in manch einem Fall schon ein Anwalt nötig wäre.
Für die meisten ist das dank gut aufbereiteter Unterlagen (Leistungsbescheide und Lohnabrechnungen neben Angaben in Mietverträgen) jedoch nicht der Fall. Hätte K. diese Unterlagen gehabt, wäre sein Weg zur PKH auch leichter gewesen. Für den Rest bleibt ein bitterer Nachgeschmack, den diese Serie hoffentlich etwas lindern konnte.
Fußnoten:
1Quelle: https://www.destatis.de/DE/Themen/Arbeit/Verdienste/Verdienste-Branche-Berufe/_inhalt.html . (Abrufdatum 19.07.2024.)
2Man kann vermuten, dass hierhinter ein konzeptioneller Unterschied in den beiden Sozialleistungen steckt – auch wenn beide der Höhe nach im Grunde ähnlich sind und beide den für das Existenzminimum notwendigen Mindestbedarf abdecken sollen: Bürgergeld soll nach wie vor den Bezieher dazu „ermutigen“, wieder in Arbeit zu kommen. (§§ 2, 20 I SGB II) Der Gesetzgeber hat daher Teile des „Regelbedarfs“ bewusst pauschal und niedriger gehalten, um den Arbeitslosen eigenverantwortliches Wirtschaften und Sparen zu lehren, auf dass er schnell wieder in Arbeit finden möge. Anders die Sozialhilfe: Hier soll größerer Raum für individuellen Bedarf im Einzelfall bestehen. Die Anrechnung als Einkommen kann man als Fortsetzung dieses Gedankens begreifen. Der Bürgergeldempfänger möge demnach sein Geld zur Finanzierung seines Prozesses einsetzen, weil der Gesetzgeber ihm ja einen Teil zum Sparen gegeben hat. Man merkt, dass ich diese Vorstellung für etwas zynisch halte.
3Wir gehen der Einfachheit halber davon aus, dass keine die freie Willensbildung ausschließende Psychose oder andere psychische Krankheit vorliegt. Andernfalls würden sich sehr viele sozialrechtliche und zivilrechtliche Folgefragen stellen.
4Den muss der Beitragspflichtige auch zu 100% selbst zahlen, § 58 I 3 SGB IX. Die Idee hinter dem Zusatzbeitrag ist es, denen, die nicht durch Kinder zur nachkommenden Generation Beitragszahlern und potentiellen Pflegekräften beitragen, diesen Beitrag dann eben durch Geld einzufordern. Da der Abreitgeber für den Arbeitnehmer gerade keine Kinder bekommen kann, muss der Arbeitnehmer auf dem ganzen Zusatzbeitrag alleine sitzen bleiben.
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